Fünf vor 12?
Seit mehr als 13 Jahren lebe ich nun gerne in Waldbronn. Als parteiunabhängiger, jedoch politisch interessierter Bürger sowie als Geschäftsführer eines national und international agierenden
mittelständischen Medien-und Messeunternehmens war und ist mein Zeitbudget zu eingeschränkt, um mich für kommunalpolitische Themen zu begeistern.
In den vergangenen Jahren gab es dennoch Themen, die ich kopfschüttelnd zur Kenntnis nahm:
Kosten Sanierung Kreisel in der Talstraße, mißglückte Beruhigung der Talstraße durch Pflanzkübel, Rückbau der Pflanzkübel, dann ganz Abschaffung der Pflanzkübel, nicht zulässiger Radweg in der Talstraße und alles wieder zurück, Baumfällaktionen u.v.m.
Aber wo ist schon alles perfekt?
Dennoch fühle ich mich wohl in Waldbronn, und ich hoffe sehr, dass dies auch so bleibt!
Das "Fahren auf Sicht" ohne durchdachten Plan scheint sich jedoch bis heute als roter Faden durchzuziehen und kann für die Gemeinde und Zukunft Waldbronns höchst unerfreulich werden.
Denn:
"In der Hektik verliert sich die Logik" (Fred Ammon).
Ein Kompliment übrigens an das Bürgerbüro:
Die MitarbeiterInnen sind nach meiner Erfahrung immer höflich, freundlich und serviceorientiert
Die Kosten betragen tatsächlich über 1 Mio. - ohne Grundstück. Also letztendlich ca. 1,4 Mio für 30 Flüchtlinge. Und dies für die sogenannte einfachere
Variante, kommuniziert mit Kosten in Höhe von € 600.000,-- siehe hier...
Dennoch möchte ich Ihnen nachfolgend nicht vorenthalten, wie alles begann...
...von anerkannten Flüchtlingen hat mich aufgeschreckt. Nicht die Tatsache, dass die Kommunen sich dieser Herausforderung stellen müssen, sondern wie damit umgegangen wird.
Doch sehen Sie selbst.
Hierzu mein Schreiben an Herrn Bürgermeister Masino vom 2.10.2105
(in Kopie an alle Fraktionsvorsitzende des Gemeinderats):
Sehr geehrter Herr Masino,
da ich an Gemeinderatssitzungen leider nicht teilnehmen kann, beziehe ich meine Informationen aus der homepage der Gemeinde.
Zur Anschlussunterbringung stellt sich mir folgendes Bild dar:
1. In der Gemeinderatssitzung vom 24.6.2015 wurde eine Gemeinschaftsunterkunft in der
Bahnhofstraße für bis zu 30 Flüchtlinge beschlossen.
Flachdach in Holzbauweise, 496 qm Bruttofläche. Kosten 600.000,-- (Preis je qm: 1.209,-/je
Flüchtling: 20.000,--)
2. In der Gemeinderatssitzung vom 22.7.15 wurden nach Modifikation - jedoch noch immer für bis
zu 30 Flüchtlinge- Kosten in Höhe von 750.000 bis 800.00,--
genannt (Preis je qm: 1.613,-/je Flüchtling: 26.666,--) Steigerung um 33%! Der Gemeinde muss
es ja richtig prima gehen.
3. Zwischen dem 24.6./22.7. und heute hat sich die Zahl der Flüchtlinge dramatisch erhöht! Stand
24.6. ging man noch von (Stand Mai 2015) 400.000, heute von
mehr als 1 Million aus. Wohlgemerkt für 2015.
Leider konnte ich jedoch den letzten Berichten aus dem Gemeinderat nicht
entnehmen, dass
dieses Projekt Bahnhofstraße und die geplanten Kosten
aufgrund der neuen Situation nochmals auf den Prüfstand kommt!
Lediglich am 30.9. wurde über die Gemeinschaftsunterkunft Neurod diskutiert. Nicht über Fakten
zur Anschlussunterbringung und deren Lösung.
Hierzu meine Fragen:
1. Ist in den geplanten Kosten von 800.000,-- auch der Grundstückspreis (und falls ja wie hoch)
enthalten?
2. Falls nein: Wie kann es sein, dass in Holzbauweise und mit Flachdach mit Kosten von 1.613,--je
qm geplant wird?
Dieser qm-Preis wäre für mich völlig unfassbar! (und entspräche den durchschnittlichen
Kosten
eines normalen Hauses ohne Grundstück)
Geht man nur von
best case aus, dann sind die Kapazitäten der Anschlussunterbringung
kurzfristig zu verdreifachen. Macht nach derzeitigem
Stand des Kostenniveaus Bahnhofstraße rund 2,5 Mio. anstatt 800.000,--
3. Wie hoch sind die Zuschüsse des Landes und ggfls. der KfW für dieses Projekt?
4. Woher nehmen Sie die Gewissheit, dass überwiegend nur Einzelpersonen und keine Familien
unterzubringen sind (Harald Irion 24.6.)?
Ist dies nicht eine völlig kurzfristige Sichtweise? Die nichts mit der Realität zu
tun hat?
Sicher ist auch Ihnen bekannt, dass die Flüchtlinge aus Syrien aufgrund der höchst gefährlichen
und physisch wie psychisch belastenden Situation oftmals
erst die jungen Männer vorausschicken, um nach erfolgreichem Asylverfahren die Familien
nachholen zu können! Und dann?
Nach Angaben des früheren Präsidenten des BAMF machen im Durchschnitt je Flüchtling
3
Familienangehörige einen Anspruch auf Nachzug geltend.
5. Wieviel Wohnraum für Anschlußunterbringung kalkulieren Sie 2016-2018? Wieviel
außerplanmäßige Haushaltsmittel planen Sie ein, insbesondere auch die
Folgekosten wie Kindergartenausbau etc?
Ich habe die große Sorge, dass die Gemeinde noch immer die tatsächlichen Probleme und aktuellen Entwicklungen völlig unterschätzt und mit völlig überhöhten Kosten
sowie Kurzfristbetrachtungen - siehe Bahnhofstraße- in erhebliche finanzielle Probleme geraten wird. Realistischerweise muß auch mit zukünftig nicht mehr so
sprudelnden Steuereinnahmen kalkuliert werden.
Aus meiner Sicht sind die anstehenden Probleme nicht mehr mit den tradierten Vorgehensweisen einer Gemeinde lösbar. Benötigt wird eine task force/eine Projektgruppe,
die nicht nur reagiert, sondern gestaltet. Auch, was nach der Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften folgen soll. Stichwort Integration.
Denn ansonsten produzieren wir Parallelgesellschaften, Ghettos und letztendlich durch einen "PP Albtal" nicht mehr unter Kontrolle zu bringende Kriminalität.
Mit freundlichem Gruß
Jürgen Volpp
Dachsweg 4
76337 Waldbronn
- Kopie an Fraktionsvorsitzende des Gemeinderats
Sehr geehrter Herr Volpp,
der GR unserer Gemeinde wird, wie bisher auch, nach bestem Wissen und Gewissen alle Möglichkeiten der Anschlussunterbringung für Asylsuchende ausloten, die Kosten dabei im Blick haben und die richtigen Entscheidungen treffen.
Wie gebaut wird, welcher Standard zu Grunde gelegt wird, welcher Nutzung neue Gebäude auch später zugeführt werden können, all dies haben GR und Verwaltung im Blick.
Planen können wir nur nach den uns bekannten Zahlen. Dass sich diese wie bekannt wöchentlich ändern liegt nicht in unserem Verschulden. Wir müssen unseren Teil zur Lösung beitragen.
Bleibt nur zu hoffen, dass das Konnexitätsprinzip immer greift.
Übrigens: Der GR gestaltet und reagiert, oder reagiert und gestaltet. Sonst wäre Waldbronn nicht das Ihnen bekannte „Waldbronn“.
Und es dürften mittlerweile ca. 35 Personen im Arbeitskreis „Willkommen für Fremde“ sein, die sich ehrenamtlich um die Integration der Asylsuchenden kümmern. Sie sind herzlich eingeladen.
Beste Grüße aus dem Rathaus
Franz Masino
Meine Fragen wurden nicht mal im Ansatz beantwortet.
Tenor: Wir haben alles im Griff und Hoffnung auf das "Konnexitätsprinzip" (Wer bestellt-zahlt) sowie
"alles wird gut" - also weiter wie gehabt!
Deshalb meine Thesen hierzu:
Nachtrag vom 13.10.2015:
BM Franz Masino bei der Veranstaltung mit dem Landrat:
Franz Masino konkretisierte die Zahlen nochmals, dass Waldbronn im Laufe des kommenden Jahres zwischen 400 bis 600 Flüchtlingen in einer Gemeinschaftsunterkunft auf dem Fabrikgelände
in Neurod und bis zu 150 Flüchtlingen in Anschlussunterkünften bis 2017 aufnehmen wird.
Bleibt nur die Frage, ob der Familiennachzug da auch schon eingerechnet ist.
Wir dürfen gespannt sein, wie der
Haushaltsplan 2016 und 2017 dann aussehen wird....
Baukosten ohne Nebenkosten Bahnhofstr. 13a: 800.000,-- für 30 Flüchtlinge.
Grundstückskosten enthalten? Nebenkosten wie hoch? Architektenhonorar enthalten? Wert Grundstück ca. 400.000? (ob Gemeindegrundstück oder nicht, bleibt sich gleich. Kalkulatorisch, da nicht mehr veräußerbar, auf jeden Fall anzusetzen).
Das ergibt bei diesen "Steilvorlagen" Baukosten für 150 Flüchtlinge in Anschlussunterkünften bis 2017 in welcher Höhe?
4 Mio.? oder gar 6 Mio.?
Dass es auch günstiger geht, berichtet z.B. der Generalanzeiger Bonn vom 29.9.2015
oder die Süddeutsche vom 1.10.2015.
Weitere Fragen:
Ich bin
- für die Aufnahme von Kriegsflüchtlingen und politisch verfolgten gemäß Grundgesetz
- für die Integration von Flüchtlingen und Migranten sowie menschenwürdige Unterbringung und
Behandlung
- für die Verpflichtung von Waldbronn, sich dieser Herausforderung gern zu stellen
- für den Ausbau von Schulen und Kindergärten im Blick auf die Zukunft
jedoch gegen Steuerverschwendung und politischen Opportunismus.